Tourenbericht Bergsteigen

Einsame Pfade auf die großen Gipfel der Alaska Range

Alpinteam-Expedition Sommer 2019

Alaska Expedition Tourenbericht

„Na das sind ja mal ambitionierte Ziele! Ich drücke euch die Daumen, dass ihr wenigstens eins davon schafft. Aber auch wenn nicht; ihr seid 3 Wochen in der Alaska range. Ihr werdet eine gute Zeit haben!“ sagte uns lächelnd, oder vielleicht sogar BElächelnd, der Ranger in Talkeetna, dem Ausgangsort für Expeditionen in den Denali National Park. Haben wir uns vielleicht doch etwas übernommen mit unseren Plänen?

Die Sultana ridge auf den Mt. Foraker (5400m, AD (Alaska Grade 3), 5-10 Tage) als Akklimatisierungstour ist trotz der geringen technischen Schwierigkeit nicht gerade eine leichte Tour. Das bestätigen auch die Erfolgsquote von unter 30% der Aspiranten und die letzte erfolgreiche Begehung vor 4 Jahren. Die Tour ist zäh: Viele Tage Spurarbeit im extrem Spalten-reichem Gelände auf den dritthöchsten Berg der USA. Belohnt wird man dafür mit einem fantastischen Ausblick auf die großen Berge der Alaska range, fern ab vom Trubel des Denali-Normalweges. Tatsächlich darf man sich glücklich schätzen, wenn man in einer Woche überhaupt andere Menschen trifft. Wir haben niemanden getroffen.

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Das zweite Ziel war der Denali über die bekannte Cassin ridge. Der Denali ist ein Berg der Superlativen: Höchster Berg Nordamerikas, einer der kältesten Berge der Welt vergleichbar mit den 8000ern des Himalayas, höchstes Relief der Erde (kein anderer Gipfel ragt so weit über sein Umfeld hinaus). Daraus erwächst natürlich ein besonders starkes Interesse an der Besteigung dieses Riesen und rückt ihn in den Fokus zahlreicher Expeditionen. Jedes Jahr versuchen über 1000 Leute sich an seinen Flanken emporzuarbeiten. Die meisten davon über die klassische Washburn-Route (6200 m, WS (Alaska grade 2+), 4-20 Tage je nach Akklimatisation). Nur eine handvoll Aspiranten verlassen diese gut erschlossene Route, um sich meist allein einen anderen Weg durch eine der zahlreichen anspruchsvolleren Linien zu spuren. Auf Grund ihrer historischen Bedeutung und abwechslungsreichen Kletterei landet die Cassin ridge wohl auf Platz 2 mit 10 bis 20 Versuchen pro Jahr. Technisch ist diese Route recht anspruchsvoll (6200 m, TD (Alaska grade 5), M5, WI3) und verfügt nur über wenige Rückzugsmöglichkeiten. Dafür bietet sie traumhafte Tiefblicke über die gesamte Bergkette und ein wahres Feuerwerk an unterschiedlichen Geländearten: Blankeisrinne, Messer-Schneegrat, Felsbänder, Gletschertraverse und einen 1000m-Spurmarathon hinauf zum Gipfel.

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OK, das sind schon WIRKLICH ambitionierte Ziele! Aber man wird ja wohl noch träumen dürfen und wenns nicht klappt, klappts halt nicht. Ohnehin ist der größte Einflussfaktor in Alaska weniger die Schwierigkeit, sondern viel mehr das unbeständige und für seine extremen Bedingungen bekannte Wetter. Und wie das wird, das sehen wir erst auf dem Gletscher.

Auf dem standen wir auch schon am nächsten Tag, nachdem uns eine mit Ski besohlte Kleinmaschine zusammen mit unseren 120 kg Gepäck im Kahiltna Basecamp ausgespuckt hatte. 60 kg Gepäck pro Person? Bei 3,5 Wochen auf einem Gletscher, wo jeder Tropfen Wasser zum Zähneputzen geschmolzen werden muss, wo alles Essen mitzubringen ist (und man tunlichst nichts vergisst!) und Touren auf der Agenda stehen, die den halben Inhalt meines Ausrüstungsregales fordern, da kommt schon so einiges zusammen. Da wir das natürlich trotz Schlepp-Schlitten nicht alles mit uns herum eseln wollen, wird die Hälfte davon im Schnee verbuddelt, um später die Vorräte wieder aufzufüllen.

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„Mt. Sultana über den Mt. Croissant auf der Crevasse-ridge“

60 kg minus 30 kg macht leider immernoch 30 kg auf unseren zarten Schultern, die unsere Stiefel tief in den aufgeweichten Schnee des Kahiltna-Gletschers drücken, als wir am gleichen Tag noch zum Fuße des Mt. Forakers aufbrechen. Vom eigentlichen Berg wenden wir uns vorerst ab und erklimmen zuerst den daneben stehenden Mt. Crosson. Auf dessen Gipfel beginnt eine 10 Kilometer lange Gratwanderung, die Sultana ridge. Den großen Umweg nehmen wir aber gern in Kauf, da der Mt. Foraker, wie die meisten Berge hier, sehr stark vergletschert ist und dadurch nahezu alle Flanken mit einem Bollwerk aus Seracs gesäumt sind.

Die anfänglich noch zu erkennenden alten Spuren hören schon bald auf. Sehr weit haben es die Aspiranten vor uns wohl nicht geschafft, bis sie der Berg herunter gepustet hat. Offensichtlich haben wir besser aufgegessen, denn uns begrüßte der Mt. Crosson mit traumhaftem Sonnenschein und ließ uns schwitzend, nur in Unterwäsche gekleidet, aufsteigen. Soll das dieses berüchtigte Alaska-Wetter sein? Sonnencreme statt Antifrostmittelchen? Vielleicht kam uns die Temperatur auch nur so warm vor, weil das stundenlange Spuren durch teils hüfttiefen Pulver mit den „Rucksäckchen“ die gefühlte Temperatur um mindestens 34,73% steigen ließ.

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Damit wir nicht noch komplett überhitzten, lud uns die Sultana ridge aber in regelmäßigen Abständen zu einem kleinen Tauchgang in eine der unzähligen Gletscherspalten ein. Da der Grat komplett mit Gletscher bedeckt ist, der nach beiden Seiten abbricht, sind diese dauer-present und so facettenreich wie die Tour selbst. Von der unsichtbaren Stolperfalle, über graziöse Sprünge erfordernde offene Schlünde bis hin zu einem Busparkplatz, der nur durch eine frei-hängende Seiltraverse unserer Rucksäcke zu überwinden war.

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Am dritten Tag durften wir dann auch „endlich“ mal dieses Alaska-Wetter kennen lernen. Innerhalb von 15 Minuten verdunkelte sich der Himmel und es brach ein Schneegewitter auf uns herein, das wir in einem flux gegrabenen Schneeloch in einer Spalte über uns ergehen lassen mussten. Auch wenn die Donner schnell aufhörten zu grollen, so blieb die Sicht doch eher eingeschränkt danach und ließ uns den Rest des Tages im Blindflug über den Grat stolpern. Naja, Alaska-Wetter eben. So ähnlich verlief dann auch der kommende Tag. Bei klarem Himmel brachen wir zur 1700 Höhenmeter Gipfeltour auf und standen schon am vierten Tag im kompletten Wolken-Nebel auf dem Gipfel des Mt. Forakers. Die ersten Menschen hier oben seit 3 Jahren. Den ursprünglichen Plan, zur Akklimatisierung dort oben zu zelten, verwarfen wir aufgrund der eher unsicheren Wetterverhältnisse (und weil wir echt keine Lust hatten das Zelt da hoch zu schleppen. Aber das sagen wir keinem...). So traten wir dann auch direkt den Rückweg an: 3,5 Tage hoch = 3,5 Tage runter. Durch eine Kombination aus Akku-zehrendem GPS-backtracking und indianergleichem Fährten lesen fanden wir ohne größere Zwischenfälle den Weg zurück, bis wir 1000 Meter tiefer die
Wolkenkappe (Lenticularis) vom Gipfel verließen. Unsere Spuren waren innerhalb der wenigen Stunden schon fast wieder komplett weggeblasen.

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Der nächste Tag begrüßte uns mit einem traumhaften Weitblick und ließ uns den beim Hinweg vernebelten Blick vom schönsten Grat Alaskas umso mehr genießen. Zäh war der Heimweg trotz leichter werdenden Gepäcks immer noch. Besonders da die niedrigeren Flanken des Mt. Crosson in der Sonne so spät in der Saison recht stark aufweichen. Zum Teil sanken wir bei jedem Schritt bis zur Hüfte im Faulschnee ein, wenn wir durch den Harschdeckel brachen. Erstaunlich, wie sich die Oberfläche innerhalb von einer Woche verändert hat. Nach 7 Tagen standen wir überglücklich und unfassbar hungrig im Kahiltna Basecamp und labten uns an den ausgegrabenen Vorräten.

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Die Tour beschlossen wir umzubenennen:
Aus „Mt. Foraker über Mt. Crosson auf der Sultana Ridge“ wird „Mt. Sultana über Mt. Croissant auf der Crevasse Ridge“

Mt. Sultana -> Weil das der Name der lokalen „native americans“ ist und besser passt wie ein umstrittener US-General.

Mt. Croissant -> Weil wir schon sehr viel an Essen und Croissants mit Butter gedacht haben, als wir unsere Nüsse und Müsliriegel geknabbert haben.

Crevasse Ridge - Weil wir beide jeweils in ca. 30 Gletscherspalten (=Crevasse in Englisch) geplumst sind.

Denali über die Cassin Ridge

Frisch gestärkt holten wir uns die aktuellen Infos vom Ranger. Und die waren, naja, ambivalent. Stabiles Wetter für die nächsten Tage und es sind wohl Seilschaften in der Cassin unterwegs. Das ist natürlich sehr verlockend: eine frische Spur und ein (eher seltenes) Wetterfenster. Nur war unsere Akklimatisierung bisher noch nicht so 100% wie wir es uns gewünscht hätten und ein Tag Pause tät uns sicher auch nicht schlecht. Aber ausruhen können wir uns, wenn wir alt sind! Von daher ging es direkt wieder ans Packen um am gleichen Tag noch ein neues Basecamp am Denali anzulegen. Beim Sortieren kam ein freudig strahlender Amerikaner auf uns zu mit einer sehr ungewöhnlichen Frage, die hier sicher noch nie vorher jemandem gestellt wurde: „Wir wollen heute auf dem Platz vor euerm Zelt eine Party feiern als Mitarbeiter-Fest für unser Airtaxi-Unternehmen. Es sind natürlich alle Ranger und Bergsteiger herzlich eingeladen. Es spielt auch eine Band und wir beginnen demnächst damit die Bühne aufzubauen. Ist das ok für euch?“ Soll das ein Witz sein? Ein live-Konzert mitten auf dem Gletscher in der schönsten Bergkulisse und 40 km weg von jeglicher Straße? Natürlich haben wir nix dagegen! Eigentlich wollten wir zeitiger los, aber sowas lassen wir uns nicht entgehen. So wurde es ein betriebsamer Nachmittag im Kahiltna International Airport; eine nach der anderen brummten die Gletscherflugzeuge ein, eine Bühne wurde zusammengeschraubt, Gitarren gestimmt und wir zählten derweil die Gramm Müsli für die nächsten Tage ab. Als wir später Abends mit einem Bier in der Hand der lokalen Funk-Rock Band lauschten ging das Grinsen fast bis zu den Ohren. Der Keyboarder der Band kam uns sogar erstaunlich bekannt vor -> Er war der Pilot, der uns her geflogen hat.

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Da wir aber natürlich nicht zum Feiern hergekommen sind, schnallten wir uns nach einem unvergesslichen Abend die Pulkas (Schlitten) an die Hüfte und flogen regelrecht durch die Nacht über den gefrorenen Gletscher hinauf zur Abzweigung ins sogenannte „Tal des Todes“. Eine Stirnlampe brauchten wir nicht, denn dunkel wird es einfach nie. Wirklich NIE. Ich habe noch nicht mal eine Lampe eingepackt und sie auch keine Sekunde vermisst, obwohl es sich natürlich anfangs komisch anfühlt ohne so einen sonst so essentiellen Gegenstand aufzubrechen. Wir beschlossen den kommenden Tag zu „verschlafen“ um in der folgenden Nacht den Lawinen-gefährdeten Zustieg frisch und so schnell wie möglich hinter uns zu bringen. Das „Tal des Todes“ hat seinen Namen nämlich leider nicht durch eine bizarre Felsformation, die an einen abgenagten Knochen erinnert, sondern wegen der gelegentlich vorkommenden Schnee- und Eisspülungen, mit denen das Tal sich von Schmutz und unglücklichen Bergsteigern befreit. Zu unserem Glück stellten wir morgens fest, dass der Weg bereits durch einen Riesen mit Ausfallschritten vor uns gespurt wurde. So kamen wir flott und gedehnten Schrittes schnell voran und standen bald vor der steilen Blankeis-Rinne die den Einstieg zur Cassin darstellt. 6 Seillängen WI2 und eine 8 m senkrechte WI4-Stelle. Da sollten wir eigentlich gut durchkommen.

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Doch leider haben wir die Rechnung ohne unsere warmen 8000er-Schuhe gemacht, die sich als äußerst ungünstig im steilen Eis erwiesen haben. Da sie sehr flexibel sind im Gegensatz zu technischen Stiefeln, brannten unsere Waden bereits nach wenigen Minuten wie Feuer. Immer wieder mussten wir zeitaufwendig Stufen schlagen, um die Beine zumindest kurz vom Schmerz zu befreien. Nach dieser Schwerstarbeit nahmen wir bereitwillig die erste Biwakmöglichkeit wahr, um unser Zelt zu errichten: Der 1 m breite, ausgesetzte Balkon mit dem klangvollen Namen „Cassin-Ledge“.

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Zum Frühstück wurde dem verschlafenen Alpinisten am nächsten Morgen gleich die technischen Schlüssellänge serviert: Eine abwechslungsreiche M5 mixed-Seillänge, die hinauf zum Messergrat führte. Hier hieß es sich endgültig entscheiden, ob wir weiter gehen oder doch lieber den Heimweg antreten. Danach wird ein Rückzug sehr schwierig und materialaufwendig. Nachdem die Schuhe sich im Fels deutlich besser anfühlten als im bereits überstandenen Eis, entschieden wir uns für den Aufstieg. Der weitere Weg gestaltete sich kurzweilig und anstrengend über einen Hängegletscher voll mit aufgeweichtem Tiefschnee und mehrere spannende Felsstufen. Von hinten sahen wir eine sich rasch nähernde zweite Seilschaft, die uns bis zum Abend ein- und überholte. Das müssen fitte Leute sein! Immerhin haben sie zusätzlich zu unserer Tour auch noch die Eisrinne gehabt an dem Tag. Wir freuten uns daher auf eine frische Spur am darauf folgenden Gipfeltag. Vor allem da die letzten 1000 Höhenmeter sich von den Beschreibungen her arg ziehen sollen, da man nur noch tiefen Schnee spurt bei stetig dünner werdender Luft.

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Am nächsten Morgen änderte sich aber die Konstellation und plötzlich waren wir die, die zügig aufliefen. Auch ihre Akklimatisierung hätte wohl besser sein können meinte die andere Seilschaft. So schlossen wir uns ab dem Moment ohne das abzusprechen zu einer Gruppe zusammen und wühlten uns gemeinsam und abwechselnd eine Schneise nach oben. Im Gegensatz zur wissenschaftlichen Tatsache, dass die Luft mit steigender Höhe immer dünner wird, fühlte es sich für mich nach dem kompletten Gegenteil an. Jeder Schritt war so anstrengend als würde man sich durch zähen Kleister bewegen und ich musste alle 30 Sekunden ausruhen, um zu verschnaufen. Die ersten 10 Schritte danach waren dann ok, aber danach war man wieder von diesem schweren transparenten Leim umgeben.

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Um 23 Uhr hatte dieser gemeinsame Kampf, den jeder von uns mit sich selbst führen musste, dann endlich ein Ende und wir standen zusammen oben auf dem Gipfel des höchsten Berges von Nord-Amerika. Ein unglaubliches Glücksgefühl durchströmte unseren dick in Daunen eingemummelten Körper, als wir bei klarer Sicht unseren Blick über die sich bis zum Horizont erstreckende Berg-Kulisse mit ihren wolkengefüllten Tälern schweifen ließen. Da unten ist sie, die gesamte Alaska Range: eine weiße, mit Gletschern gefüllte und mit Seracs gepanzerte, unberührte Wildnis so weit das Auge reicht. Die höchsten Gipfel 1000 m unter uns! Dieses unvergessliche „Berg Heil“ haben wir uns wirklich schwer verdient!

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Auf dem Weg nach unten bekamen wir dann einen ersten Eindruck von der „anderen Seite“ des Denali. Eine wahre Autobahn windet sich da hinauf, wo jährlich über tausend Menschen ihr Abenteuer auf die Zinne Alaskas suchen. Die Nacht verbrachten wir platt wie Flundern bei knusprigen Minus 25 °C im 5000 m Lager, bevor wir am nächsten Tag vollends den bequemen Abstieg antraten. Auf dem Weg trafen wir noch auf die Seilschaft einen Tag vor uns, die uns spontan zum Vernichten ihrer übrig gebliebenen Vorräten einlud. Ausgehungert wie wir waren ließen wir uns das natürlich nicht zweimal sagen. So wurde auch noch unsere letzte Nacht am Fuße des Denali zu einem ausgelassen Fest mit gebratenem Speck, Schokolade, Nudeln und diverser Leckereien. Und natürlich jeder Menge ofenfrischer Geschichten von der legendären Cassin Ridge!

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Mt. Hunter – West ridge

Nachdem der kommende Tag mit einem reichhaltigen Pancake-Frühstück eröffnet wurde, verbrachten wir die restlichen Stunden damit ein ungewöhliches und unerwartetes Problem zu lösen: Es war Tag 14 von 25 unserer Reise und wir haben bereits unsere beiden Ziele erreicht! Was machen wir nun? Natürlich bietet das Gebirge unzählige Möglichkeiten sich zu betätigen, doch unsere Ausrüstung ist genau auf unsere zwei Ziele ausgerichtet und für viele technischere Touren fehlt uns das Material.

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Ein nahe liegendes Ziel war die Besteigung des dritthöchsten Berges, des Mt. Hunters, um die Reihe der „drei Großen der Alaska Range“ zu vervollständigen. Der Normalweg führt über einen kilometerlangen, anspruchsvollen und stark überwechteten Grat, der so genannten West Ridge. Die grandiose Tour springt auf Grund ihrer prominenten Lage direkt über dem Kahiltna Basecamp wohl jedem Bergsteiger zwangsläufig ins Auge, wenn er dort ankommt. Leider war es für diese ebenfalls selten begangene und anspruchsvolle Route, die viele Jahre keine einzige Begehung abbekommt, schon etwas spät im Jahr. Wie ätzend aufgeweichter, morscher Tiefschnee sein kann wissen ja bereits von den niedrigeren Hängen des Mt. Crosson. Für den Versuch sprach, dass die Erstbegehung 1954 vom berühmten Heinrich Harrer und seinen Gefährten zu einer ähnlichen Zeit unternommen wurde. Um den Folgen der Erwärmung zu entgehen, kletterten sie nur nachts (wenn man das überhaupt hier so nennen kann), wenn die Schneedecke durchgefroren war. Diese Strategie wollen wir auch wählen und wenn es sich herausstellt, dass wir trotzdem nicht voran kommen oder die Wechten zu gefährlich sind, dann werden wir das schnell sehen und können noch problemlos umdrehen. Je höher wir kommen, desto besser sollte es werden. Bestärkt wurden wir in unserem Entschluss zum Versuch durch das Gespräch mit dem Ranger im Basecamp: „Es ist eine perfekte Zeit, ein stabiles Wetterfester von mehreren Tagen ist vorhergesagt.“

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Also hieß es zum dritten Mal die Vorräte ausgraben und auffüllen, sich als Zugesel vor den Schlitten spannen und eine frische Spur in den riesigen Kahiltna Gletscher ziehen. Als wir Nachmittags am Fuße des Grates ankamen konnten wir leider nicht viel vom Aufstieg sehen. Tiefe, zähe Wolken füllten die Täler. Tiefes Aufatmen, als das nachts um 10 Uhr zur Aufbruchszeit auch noch so war. Denn das „zwang“ uns quasi zu einem ersehnten Ruhetag mit Pfannkuchenfrühstück. Unser Wetterglück ist wirklich kaum zu fassen. Selbst die wenigen Schlechtwetter-Tage fügen sich genau so in unseren Zeitplan, dass sie als revitalisierende Ruhepausen zwischen zwei Touren fallen. Tagsüber
klarte es dann genau wie mit Petrus abgesprochen auf und dem dämmrigen Start stand nichts mehr im Wege. Als wir den ersten Vorgipfel erklommen, sahen wir bereits alte Spuren im Schnee. Offensichtlich war wohl dieses Jahr doch schon jemand auf dem Grat unterwegs gewesen, auch wenn die Ranger nichts davon wussten. Soll uns recht sein, das gibt uns ja in gewisser Weise eine Orientierung.

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Die Spur verlor sich vorerst an der Schlüsselstelle der Tour: einer Felspassage mit mehreren Seillängen Mixedkletterei gekrönt von einem vereisten 5er-Kamin. Alles super, nur das einzige Problem war, dass die Route auf der Südseite vom Grat entlang ging und diese mittlerweile doch schon einiges an Sonnenstrahlen abbekam und noch dazu der Weg alles andere als offensichtlich war. So wurden die nächsten 100 Höhenmeter zu einer Stunden-fressenden Wühlerei durch hüfttiefen Schnee, der von seiner Konsistenz am ehesten Vanille-Pudding herankommt. Schmeckt lecker, ist zum Vorwärtskommen aber äußerst hinderlich und auch die Eisgeräte halten nicht sooooo optimal da drin. Irgendwie gings dann schon und so standen wir nach 16 Stunden doch endlich am Ausstiegskamin. Ich finde es ja tatsächlich immer ein wenig ironisch, wenn Leute, die nicht Kamin klettern können, ihr Unvermögen damit begründen, das jeder breitere Riss gleich eine „Mörderspalte“ oder „Schinderrinne“ ist. Auf die vor uns trifft aber diese Beschreibung tatsächlich zu, weil man da ja irgendwie mit einem 6-Tage Rucksack auf dem Buckel durch muss. Wie eng das Ding war, konnte man sehr gut hören an Steffens Schnief- und Schab-Geräuschen und selbst nachts meldete sich der Kamin noch einmalmal, als Steffen feststellte, dass seine Isomatte beim Schrubbern wohl etwas angeschrabbert wurde. Pfffffffft.

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Der nächste Tag flog kurzweilig dahin und wir hatten viel Freude am laufenden Seil 50°C Blankeis-Flanken zu queren, steile Eisaufschwünge zu überwinden und dabei unsere Blicke in die Tiefe und
Weite zu beiden Seiten hin schweifen zu lassen. Hier waren wir ja hoch genug, dass der Schnee eine gute Konsistenz hatte und ein zügiges Vorankommen ermöglichte bei schönstem Sonnenschein und keiner Wolke am Gestirn.

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Am kommenden Tag wurde der Tag-Nacht Rhythmus getauscht für den Gipfeltag. Mit den leichten Rucksäcken schwebten wir quasi empor, bis der Pulver dann doch wieder die Bremse einwarf. Von den anderen Spuren war hier oben nichts mehr zu sehen. Vermutlich sind die Anderen vor uns eine Rinne abgestiegen, die als Ramen-Route in letzter Zeit häufiger zum Anstieg verwendet wird, um sich den ewigen Grat zu sparen. Meiner Meinung nach an der falschen Stelle gespart, denn der Ausblick und die Abwechslungsreichtum in anspruchsvollem Gelände ist einzigartig. Nach ein paar Stunden schlüpften wir durch eine schmale Lücke auf das Gipfel-Hochplateau, das in alle Richtungen wie ein Burgwall mit Seracs umgeben ist. In der Mitte befindet sich der eigentliche Gipfelaufbau, der uns aufgrund seiner Fülle an Schnee noch einiges an Kraft abverlangte. Um die Mittagszeit standen wir endlich oben auf dem dritten der „drei Großen“ von Alaska. Vermutlich als erste und letzte Seilschaft dieses Jahr. Wir lagen uns in den Armen und konnten unser Glück kaum fassen. Als Belohnung breitet sich die gesamte Alaska Range vor einem aus, kein Wölkchen verdeckte auch nur eine Ecke und wir konnte zufrieden alle Touren der letzten Wochen erneut bewundern. Was für ein Abschluss!

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Wobei „Abschluss“ natürlich relativ ist, denn nun standen ja wieder zweieinhalb Tage Abstieg vor uns. Und der hatte es nochmal in sich und verlangte unsere volle Konzentration, da die Abwärtsquerungen am laufenden Seil schwieriger sind als beim Aufsteigen. Durch die viele Sonne tagsüber, die den Schnee in den Klamotten zum schmelzen bringt, gab es auch langsam keine Wechselhandschuhe mehr, und die abends steif gefrorenen Eiswürfel mussten mit hinein in die fluffige Daunentüte. Darauf könnte ich echt gern beim Höhenbergsteigen verzichten. Und auf die ersten 30 Sekunden, in denen abends die Zehen den ganzen Mock des Tages in einer einzigen Miefwolke im Zelt entladen. Und davon ist die Hälfte noch nicht mal mein eigener Duft in einem Raum von ein mal zwei Meter Grundfläche. Merino sei Dank hält sich sogar das heutzutage in Grenzen, aber leider war mir diese Erkenntnis in den Synthetik-Socken am Mt. Foraker noch nicht bewusst und der dort zu Tage getretene Duft führt hoher Wahrscheinlichkeit zu schweren Schädigungen der Nasenschleimhäute und Lungengefäße, wenn er nicht mit sauberster Bergluft verdünnt worden wäre...

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Da wir beide absolut gar keine Lust hatten ein zweites Mal durch die aufgeweichte Felspassage zu klettern, entschlossen wir uns den Abstieg über die so genannte Bochard-Variante zu nehmen. Dazu zweigt man kurz oberhalb des Felsaufschwungs rechts ab und seilt eine steile Rinne hinab in ein Becken, dass auf dem Kalhiltna Gletscher endet. Die aller Stein- und Eisschlag-sicherste Variante ist das sicher nicht, aber mit Sicherheit nicht gefährlicher als der Normalweg über den Grat um diese Jahreszeit. Um so schnell wie möglich aus der Rinne zu kommen, haben wir eine selbst überlegte Abseiltechnik an einem 50m Halbseil und einer 50m 4mm Reepschnur angewendet. Dass wir die richtige Rinne gewählt haben bestätigte uns das viele fixe Abseilmaterial, das wir angetroffen haben. Offensichtlich gab es einige Seilschaften in den letzten Jahren, die es bevorzugt haben die felsige Steilstufe abwärts auszulassen. Gegen Mittag torkelten wir erschöpft am Zelt am Fuße des Berges ein. Wie zwei Steine fielen wir auf unsere Matratzen und taten den restlichen Tag nichts weiter als in der Sonne zu dösen und Rest-Vorräte zu vernichten. Und davon VIEL: Gummibärchen, Schokolade, Brot, Käse, Trockenfleisch, Müsliriegel, Kekse, Wurst, heiße Schokolade, Nüsse, Knabberbrezeln,... und am nächsten Morgen selbstverständlich: Pancakes!

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Danach hatten wir Glück und konnten direkt am gleichen Tag noch vom Gletscher fliegen und das auch noch mit einem „scenic flight“, also einem Touristenrundflug mit einigen Bonusrunden an riesigen Gletscherbrüchen, Wasserfällen und natürlich tollen Bergen vorbei. Dabei wurde das Herz schon auch etwas schwer, denn nach dreieinhalb Wochen mit tagtäglichen Abenteuern haben wir uns schon auch an den Bergalltag gewöhnt. Gleichzeitig freuten wir uns aber natürlich schon auch sehr auf die Zivilisation mit ihren vielen Luxoritäten wie Duschen, gewaschene Kleidung und frisches Gemüse!

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Bilanz

So ging eine unvergessliche Reise zu Ende mit einem Ergebnis, das wir uns nie hätten träumen lassen. „Die drei großen in einer Saison, das gabs schon viele Jahre nicht mehr.“ hieß es von den Rangern. Insgesamt sind wir wohl die dritte Seilschaft, der dies gelang und wir gehören damit zu unter 10 Leuten mit so einem Sommer. Viel wichtiger und wertvoller als die reine Leistung war für uns aber, wie zwei Bergsteiger, Steffen und Max, zusammengewachsen sind zu einem Team. Über drei Wochen in extremem Klima, nie weiter als 50 m voneinander entfernt (und selbst dann mit einem Seil verbunden), wochenlanges gemeinsames Schlafen auf 2 m², jedes Essen brüderlich geteilt, jede Freude genau wie jede Anstrengung gemeinsam erlebt, jede Routenwahl ständig im Konsens erörtert,... danach hasst man sich oder man ist zu wahren *Berg*Freunden geworden. Bei uns gab es da keine Frage: Alaska hat uns zusammengeschmiedet wie Pech und Schwefel! In den ersten Nächten nach der Reise bin ich mehr als einmal frühs aufgewacht in einem viel zu großen Bett und habe den in Daunen verpuppten Steffen neben mir vermisst...

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P.S.: Wir möchten uns an dieser Stelle für die Unterstützung durch die Biwakschachtel und den Deutschen Alpenverein bedanken. Es ist toll euch bei so einem Projekt im Rücken zu haben!

Kontakt: Max JACKISCH
maxjackisch[Klammeraffe]gmx[Punkt]de