Tourenbericht

Felskopfflora der Schwäbischen Alb - warum ist sie so schützenswert?

Am Sonntag, den 19.03., fand eine DAV-interne Fortbildungsexkursion zur Felskopfflora statt. Angeleitet von Klaus Schmieder, Professor für Landschaftsökologie und Vegetationskunde an der Uni Hohenheim, stand der Tag unter dem Motto:

Man kann nur schützen, was man kennt!

Ziel des Tages waren die Felsköpfe des Gerstenbergfelses und des Mädelesfels auf der Reutlinger Alb, wo wir unter anderem ein ganz besonderes Blümlein zu finden hofften. Das Wetter war gut und nach der Anfahrt mit dem DAV-teilAuto-Bus begannen wir unsere kleine Wanderung voller Energie und Wissensdurst.

Entlang des Pfades zeigten sich schon die ersten frühblühenden Arten, wie z.B. der Wald-Gelbstern (Gagea lutea) aus der Familie der Liliengewächse. Dieser gehört zu den sogenannten Geophyten, die dank unterirdischer Zwiebel als Speicherorgan den Winter überdauern und früh im Jahr blühen, bevor sich des Blätterdach der Buchen schließt und nur noch wenig Licht zum Waldboden durchdringt.

Angekommen auf dem Felskopf des Gerstenbergfelses begannen wir der eigentlichen Frage des Tages auf den Grund zu gehen:
Was wächst eigentlich auf den Felsköpfen der Schwäbischen Alb und warum ist die hier vorherrschende Flora so besonders?

Um das herauszufinden, bedarf es erst einmal einem Blick in die Vergangenheit der letzten 115.000 bis 10.000 Jahre. Zu dieser Zeit bestimmte im europäischen Raum die Würm-Kaltzeit das Klima, und im Gebiet der Schwäbischen Alb herrschten Verhältnisse wie man sie heute in alpinen Regionen und der Tundra findet. Mit dem Einsetzen der Warmzeit des Holozäns begann die Wiederbesiedelung Mitteleuropas durch Bäume, was die sehr gut an die Kälte angepasste, jedoch auch sehr konkurrenzschwache eiszeitliche Vegetation fast überall verdrängte.

Hier kommen nun die Felsköpfe der Schwäbischen Alb ins Spiel, denn an diesen Stellen konnten sich bestimmte Pflanzen der letzten Eiszeit behaupten. Das liegt zum einen an den sehr geringmächtigen Böden, und zum anderen an dem sehr Calcium-haltigen anstehenden Gestein des Oberen Jura. Zusätzlich herrschen hier extreme klimatische Verhältnisse, die geprägt sind von Trockenheit sowie großen Temperaturschwankungen. Mit diesen Bedingungen kommen konkurrenzstarke Pflanzen, wie die Buche, nicht zurecht, weshalb sich hier die eiszeitliche Flora bis heute erhalten hat.

So findet man hier krautige bis strauchige Pflanzen, wie die Felsenbirne (Amelanchier ovalis), verschiedene Mauerpfeffer-Arten (Sedum album, Sedum sexangulare), und den Traubensteinbrech (Saxifraga paniculata). Letzterer ist durch die Kalk-abscheidenden Drüsen an den Blatträndern gut an den hohen Calciumgehalt des Untergrunds angepasst.

Star der Exkursion und besonderer Liebling von Klaus war allerdings das Immergrüne Felsenblümchen (Draba aiziodes), welches mit seinen gelben Blüten die Risse und Spalten in der Felswand und auf dem Felskopf schmückt. Der Name rührt daher, dass das mehrjährige Pflänzlein dem frostigen Alb-Winter trotzt. Die Blütenknospen werden schon im Herbst angelegt, und so kann das Felsenblümchen sehr früh im März die ersten warmen Tage zur Blüte nutzen. Die gebildeten Samen bleiben dann bis in den nächsten Winter in den Früchten und werden erst im kommenden Frühjahr verstreut (Wintersteher).

Dieses kleine Blümchen überdauert als Glazialrelikt (also seit mehr als 10.000 Jahren!) dank der einzigartigen Bedingungen hier auf den Felsköpfen der Schwäbischen Alb und sonst nur noch in den alpinen Gebieten Mitteleuropas, den Alpen, den Pyrenäen und den Karpaten.

Wie die meisten Pflanzen der Felskopfflora ist das Felsenblümchen sehr trittstörungsanfällig. Deshalb an dieser Stelle der Apell:
Bitte Betretungsverbote von Felsköpfen einhalten und gegebenenfalls beim Klettern auf der Schwäbischen Alb die Umlenker nutzen, statt über die Felsköpfe auszusteigen. Damit tragen wir dazu bei, dass Pflanzen wie das ausdauernde Felsenblümchen noch weitere 10.000 Jahre überdauern können!

Nach anschließendem Genuss des Ausblicks vom sehr vielbegangenen und deshalb ziemlich kahlen Kopf des Mädelesfels (aber auch hier kam das Felsenblümchen in der unbekletterten Felswand vor), holte uns dann doch der Regen ein und wir traten den Rückweg an. Abschließend lässt sich jedoch sagen, dass wir einen wunderschönen Sonntagnachmittag an der frischen Luft beim Botanisieren hatten, bei dem wir unsere heimatlichen Felsen noch ein Stück näher kennen gelernt haben und einen Einblick gewinnen konnten, wie die Vegetation der letzten Eiszeit ausgesehen hat und weshalb diese nacheiszeitlichen Zufluchtsorte (Refugialräume) so schützenswert sind.

Und wer weiß – wenn Ihr die Augen offenhaltet, seht Ihr bestimmt auch mal ein Immergrünes Felsenblümchen auf der Alb!

 

An dieser Stelle nochmal ein großes Dankeschön an Klaus für die Exkursionsleitung und Edith für die Organisation.

Auf dass Klettern und Naturschutz Hand in Hand gehen mögen!

Text: Silas König (Referent für Natur und Umwelt im JDAV)